Vorsicht beim Eiweiß: Welche Menge Protein der Gesundheit schaden kann

Proteinshakes sind gefährlich? Darauf solltest du achten
Wenn vermeintlich gesunde Ernährung zu Krankheiten führt, liegt das womöglich an zu viel Eiweiß. Das haben Forscher in einer Studie herausgefunden.

Wer schlank werden oder bleiben will und sich noch zusätzliche Muskeln heranzüchten möchte, setzt vor allem auf eine proteinreiche Ernährung. Viele legen das ziemlich freizügig aus und essen besonders viel Milch, Käse, Eier und Fleisch. Aber ist das wirklich so gesund?

Diättipps, die vor allem auf viel Eiweiß setzen und Lebensmittelhersteller, die neuerdings alle möglichen Fertiggerichte und Snacks mit Proteinen pimpen, tragen dazu bei, dass immer noch mehr Eiweiß konsumiert wird. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO essen wir in den westlichen Ländern zuviel Eiweiß: die empfohlene Tagesdosis, elf Prozent der Gesamtkalorien, wird regelmäßig und bei weitem überschritten. Und dann wird es schnell ungesund.

Dass eine Ernährung, die zu sehr auf tierische Produkte setzt, die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschleunigen kann, ist zwar nicht neu, wird aber in den letzten Jahren zunehmend durch Studien erhärtet. Nur, dass seit einigen Jahren nicht mehr Fett oder Cholesterin als Verursacher von Arteriosklerose im Visier der Forscher*innen ist, sondern Eiweiß.

Wenn sich Cholesterin im Blut an den Wänden von Arterien ablagert, werden diese steifer, enger und brüchiger: die Gefäße verkalken, vor allem um das Herz herum, es kommt zu Gerinnseln und im schlimmsten Fall zum Infarkt. Wer sich einseitig ernährt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser Prozess beschleunigt.

Was hat Eiweiß damit zu tun?

Symbolbild: Proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Eier, Nüsse, Milch und Käse sind auf einer Schiefertafel arrangiert.

Proteinreiche Lebensmittel: Fleisch und Eier, aber auch Nüsse und Bohnen.

Bild: GettyImages/piotr_malczyk

Wie stark vor allem tierisches Eiweiß in der Ernährung an der Entstehung von Arteriosklerose beteiligt ist, belegt eine frisch veröffentlichte Studie der University of Pittsburgh, in der eine Forschergruppe von Biolog*innen und Biomediziner*innen um Xiangyu Zhang die Ergebnisse verschiedener Tests an Menschen, Mäusen und Makrophagen zusammenfasst.

Die Ernährungstests wurden an 23 übergewichtigen, aber ansonsten gesunden menschlichen Probanden durchgeführt und sollten zeigen, wie der Körper auf erhöhte Eiweißportionen reagiert.

Im ersten Test tranken 14 Probanden nach 12 Stunden Fasten je einen proteinreichen Shake mit 500 Kilokalorien mit 50 Prozent Eiweißanteil. An einem anderen Tag bekamen sie einen anders zusammengesetzten Shake, ebenfalls mit 500 kcal, aber nur mit 10 Prozent Eiweißanteil.

Für den zweiten Test aßen neun Probanden je zwei kleine Mahlzeiten mit 450 kcal. Die eine Mahlzeit enthielt 16 Gramm und damit 15 Prozent Kalorien aus Eiweiß, die andere 25 Gramm Eiweiß, also 22 Prozent der Kalorien.

Nach jeder Mahlzeit nahmen die Forscher*innen den Testpersonen Blut ab, isolierten daraus Immunzellen und analysierten die Zusammensetzung der Aminosäuren, die sich nach der Mahlzeit im Blut befanden.

Ab einer Eiweiß-Portion von 25 Gramm erhöhte sich in den Blutproben der Probanden die Konzentration einiger Aminosäuren stark, darunter Isoleucin, Valin, Methionin, Threonin, Serin, Arginin und Leucin.

Was macht Leucin?

Die Strukturformel von Leucin vor futuristisch-blaugrünem Hintergrund.

Aminosäure: Das ist Leucin.

GettyImages/Zerbor

Die Aminosäure Leucin findet sich vor allem in tierischem Eiweiß, vor allem in Fleisch, Eiern und Milch, und ist ein beliebtes Nahrungsergänzungsmittel bei Bodybuildern. Bereits in früheren Studien stellte sich heraus, dass Leucin Zellen des Immunsystems beeinflusst: Monozyten und Makrophagen, von ihren Freunden auch Fresszellen genannt, die dafür sorgen können, dass sich Cholesterin in den Arterien festsetzt.

Die Vermutung von Zhang und Kolleg*innen, dass eine proteinreiche Ernährung, vor allem mit einem hohen Leucin-Gehalt, das Immunsystem stören und Arteriosklerose befördern kann, bestätigten sich dann in weiteren Versuchen mit Mäusen und Makrophagen-Zellkulturen. Sie konnten im Labor nachweisen, dass gerade Leucin den Genschalter mTOR beeinflusst: die Fresszellen lassen zuviele defekte Zellbestandteile im Blut, die sich dann an den Gefäßwänden ablagern.

Bei den Tierversuchen wurden Labormäuse mit einer Diät nach westlichem Vorbild, die mehr als 22 Prozent Eiweiß aus Nahrungskalorien enthielt, gefüttert. Acht Wochen hatten vor allem die männlichen Nager Arteriosklerose entwickelt.

Wieviel Eiweiß ist noch gesund?

"Unsere Studie zeigt, dass die Erhöhung der Proteinaufnahme im Streben nach einer besseren Stoffwechselgesundheit und mehr Muskeln kein Allheilmittel ist. Sie könnten Ihren Arterien damit echten Schaden zufügen", kommentiert der als Senior-Autor an der Studie beteiligte Medizinprofessor Dr. Babak Razani.

Mit entsprechenden Folgen für alle Ernährungsratgeber: "Es ist wichtig, die Ernährung als Ganzes zu betrachten und ausgewogene Mahlzeiten vorzuschlagen, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht unbeabsichtigt verschlimmern, insbesondere bei Menschen mit einem bereits bestehenden Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen."

Den Forscher*innen ist aber keineswegs daran gelegen, proteinhaltige Lebensmittel zu verteufeln. Vielmehr seien weitere Forschungen nötig, um zu klären, ab welchen Dosierungen Eiweiß tatsächlich mehr schadet als nützt. Vorerst aber kann man davon ausgehen, dass 15 bis 22 Prozent Proteinanteil in der Nahrung unbedenklich sind und Protein aus tierischen Quellen eher sparsam konsumiert und öfter mal durch pflanzliche Lebensmittel mit geringem Leucin-Gehalt ersetzt werden sollte.

*Das Original dieses Beitrages erschien zuerst bei unserem Partner scinexx.

Den Original-Artikel von Zhang et. al. vom 19. Februar 2024 finden Sie hier: Nature Metabolism, 2024, doi: 10.1038/s42255-024-00984-2