"Healthcare ist nicht besonders digital-affin"

Georgios Manolidis, Cyperfection

Georgios Manolidis, geschäftsführender Gesellschafter der Digitalagentur Cyperfection, weiß, worauf es im Healthcare-Marketing ankommt

Im Healthcare-Marketing gelten eigene Gesetze. Georgios Manolidis, geschäftsführender Gesellschafter der Digitalagentur Cyperfection, weiß, worauf es ankommt.

Georgios Manolidis ist seit 23 Jahren geschäftsführender Gesellschafter der Digitalagentur Cyperfection und berät Unternehmen wie Roche, Hermes Arzneimittel und Philips bei der digitalen Kommunikationsstrategie und Markeninszenierung. Im Gespräch mit LOUT erklärt er, warum Content Marketing und die Healthcare-Branche so gut zusammenpassen.

Herr Manolidis, was bedeutet Customer Centricity für Healthcare-Marken?
Das Umdenken der Branche in Richtung Customer Centricity ist ein Muss: Digitale Kommunikation, Social Media, das Smartphone – Patienten können sich überall und jederzeit informieren und austauschen, und das fordern sie auch ein. Deshalb geht es darum, Menschen zuzuhören, ihre persönlichen Herausforderungen zu erkennen und Lösungen anzubieten. 
Es gibt zwar schon viele positive Beispiele wie das Sammeln von Patientendaten für bessere Diagnosen, oder das Positionieren der Pharmaunternehmen als Partner ihrer Patienten. Trotzdem ist der Healthcare-Sektor im Unterschied zu anderen Branchen noch immer nicht besonders digital-affin. Für wirklich Patienten-zentrierte Kommunikationsstrategien und -Lösungen benötigen  Unternehmen in der Regel Agentur-Partner.  

Im Healthcare-Markt gibt es erklärungsbedürftige Produkte wie Insulinpumpen, neue Therapie-Geräte und immer neue Medikamente. Wie gelingt es, sowohl B-to-B- als auch B-to-C-Gruppen bedarfsgerecht zu informieren?
Eine erfolgreiche Content-Marketing-Strategie muss immer zuerst die Bedürfnisse der Zielgruppe identifizieren, egal ob Fachkreise oder Patienten. B-to-B und B-to-C-Gruppen unterscheiden sich – im Healthcare-Bereich ist das ein besonders sensibles Thema. 
Zwar lässt sich in der Patienten-Kommunikation aus dem Vollen schöpfen – mit Social Media, Apps, kurzen How-to-Videos, Podcasts, Infografiken, Webinaren mit Experten, mit Bloggern und Influencern. Aber wesentlich ist der Schritt davor: Was benötigt die Zielgruppe wirklich an Information? Wo genau im Internet findet sich die Zielgruppe überhaupt, und wie bereite ich Informationen für sie am besten auf? Eigentlich selbstverständlich, aber bei Gesundheitshemen noch sensibler ist eine Kommunikation auf Augenhöhe. Es gilt, dem Ernst des Themas gerecht zu werden und zugleich Empathie mit einer gewissen Lockerheit zu mischen, sodass man sich gern mit einem Thema auseinandersetzt.

Man muss B-to-C und B-to-B nicht unbedingt trennen

Wie unterscheidet sich davon die Ansprache von Ärzten und Apothekern?
Schon die  Tonalität in der Ansprache von medizinischen Fachkräften ist eine andere – in der Regel sachlicher und wissenschaftlicher. Die Inhalte drehen sich um Produktinformationen, Produktionsverfahren, Webinare, Weiterbildungen und Studien. Dennoch gilt auch hier: Es geht um maßgeschneiderte Maßnahmen mit zielgruppenspezifischem Mehrwert. 

Empfehlen Sie, beide Zielgruppen zu trennen?
Meist ist es sinnvoll die jeweiligen Plattformen zu trennen. Das muss aber nicht unbedingt sein. Verschiedene Anforderungen lassen sich zum Beispiel auch durch eine Art virtuelle Akademie oder Schulungsportal verbinden – mit verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten für die jeweiligen Zielgruppen, zugleich mit Synergien, wenn es um spezifische Trainingsbereiche zu neuen Produkten oder Medizingeräten geht. 

Das Google-Playbook ist eher eine Checkliste

Vor dem Arztbesuch suchen heute viele Patienten erst einmal auf Google nach Symptomen und Krankheiten. Wie lässt sich dieses Informationsverhalten im Content Marketing nutzen?
Zahlreiche Regularien bestimmen die Kommunikation der Pharma- und Healthcare-Branche. Gleichzeitig informiert sich die große Mehrheit im Internet – beim leichten Schnupfen genauso wie bei ernsten Erkrankungen. Beide Punkte sollten eigentlich schon genügen, um auf Content Marketing zu setzen. Bei echtem Content Marketing gibt es keine "Kauf mich!"-Botschaft wie in der klassischen Werbung, und im Healthcare-Bereich darf es die ja auch nicht geben. Also muss es darum gehen, Services und Informationen mit echtem Nutzwert bereitzustellen. Dieser Marketing-Ansatz ist im Prinzip die Fortführung der Patientenzentrierung.
Der Nachteil kommunikativer Schranken der Branche wird durch einen anderen Umstand ein wenig ausgeglichen. Die meisten Branchen müssen den Anreiz zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Produkt oder Thema erst künstlich schaffen. Nicht so die Healthcare-Branche: Die eigene Gesundheit interessiert die Menschen immer aus eigener Motivation, und Dr. Google ist mittlerweile zumeist die erste Adresse.

Google hat im vergangenen Jahr das "UX Playbook Healthcare" veröffentlicht. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
Das UX Playbook Healthcare ist im Prinzip eine SEO-Empfehlung von Google, wie man von Zielgruppen gefunden wird, die Interaktion mit der Plattform oder Marke erhöht und die Verweildauer verbessert: durch einen Mobile First Ansatz, Empathie UND ein optimales UX-Design, damit der Nutzer möglichst schnell die Informationen und Services findet, die er sucht.  
Das UX Playbook Healthcare ist erst seit etwas mehr als einem Jahr veröffentlicht. Quantensprünge lassen sich noch nicht feststellen. Wir pflegen gemeinsam mit unseren Kunden allerdings schon seit Jahren einen Mobile First Ansatz und versuchen durch ein patientenzentriertes UX dem Nutzer schnell die Informationen zu geben, die er sucht. Weiterführende Links und Services und ein Storytelling-Ansatz erhöhen die Verweildauer. Damit konnten wir in der Vergangenheit die SEO-Performance unserer Websites deutlich erhöhen. Das Playbook ist für uns eher eine erfreuliche Checkliste, die uns gezeigt hat, dass wir gemeinsam mit unseren Kunden mit dem was wir tun auf der Höhe der Zeit sind.


 


Unser Newsletter