Wer kauft mein Unternehmen?
„Gespräche zu erlebtem M&A“ ein Interview von Martin Wilderer mit Felix Brokatzky

Wer kauft mein Unternehmen?

Im Rahmen unserer Serie „Gespräche zu erlebtem M&A“ ein Interview von Dr. Martin Z. Wilderer mit Felix Brokatzky zur Käuferlandschaft, unterschiedlichen Käufergruppen, Unterschieden zwischen strategischen und finanzgetriebenen Käufern und der idealen Marktansprache.

Martin Wilderer: Felix. Ich freue mich, dich heute hier zu haben, um über die Käuferlandschaft zu sprechen, die wir in unseren Transaktionen antreffen. Vielleicht fangen wir erstmal mit einer Differenzierung an, welche Käufergruppen wir in unseren Prozessen vorwiegend sehen?

Hallo Martin, vielen Dank. Prinzipiell clustern wir die Käuferlandschaft in zwei Kategorien:

  • Strategische Investoren und
  • Finanzinvestoren.

Strategische Investoren verfolgen, unschwer am Namen zu erkennen, strategische also langfristige Ziele und wollen ihr bestehendes Geschäftsmodell durch Zukäufe optimieren, dh es handelt sich um meist größere, operierende Unternehmen.

Finanzinvestoren, vorwiegend Private-Equity-Unternehmen, verfolgen primär finanzielle Ziele vor dem Hintergrund nach einer gewissen Halteperiode das Unternehmen wieder zu veräußern.

Wir sehen in den vergangenen Jahren aber gerade bei den Finanzinvestoren, dass die oftmals sehr viel strategischer denken als man erwarten würde.

Daneben gibt es noch die Management-Buy-Ins, bei denen Individuen ein Unternehmen erwerben, um es dann selbst weiterzuführen. Dies oft finanziert über Finanzinvestoren.

Spannend, Felix, Du meinst, die Grenzen zwischen strategischen und Finanzinvestoren verschwimmen?

Natürlich gibt es noch die Reinkulturen. Allerdings beobachten wir in der Tat, dass auch vermehrt Finanzinvestoren sehr fokussierte und langfristig angelegte Ökosysteme innerhalb ihrer Portfolios aufbauen und diese dann auch teilweise sehr lange halten. So genannte „Evergreen Fonds“ sind sogar darauf ausgelegt, die akquirierten Assets gar nicht mehr zu veräußern und stattdessen durch ein Dividendenmodell langfristig Kapital aus den Investitionen zu generieren.

Innerhalb dieser fokussierten Ökosysteme agieren Private-Equity Investoren dann mehr oder minder vergleichbar zu strategischen Investoren und verwischen die Grenzen der genannten Käufercluster dann fast vollständig.

Oft scheint bei unseren neuen Kunden anfänglich fast schon eine Art Aversion gegen Finanzinvestoren vorzuliegen, als seien alle Haie. Ist das gerechtfertigt?

Das ist fast schon eine rhetorische Frage. Natürlich nein. Natürlich gibt es schwarze Schafe und Investoren, übrigens auf beiden Seiten, mit denen ich auch nicht zusammenarbeiten möchte. Allerdings kennen wir hoch integre Investoren, bei denen es natürlich um Margen aber auch um andere Werte geht. Das ist insbesondere bei den sogenannten Impact Investoren der Fall.

Darüber hinaus spielen Finanzinvestoren eine ganz besondere Rolle, wenn z.B. das Unternehmen unseres Kunden noch nicht ganz an dem Punkt ist, von einem strategischen Investor übernommen werden zu können, sei es wegen der Größe, fehlender Prozesse, oder anderen für den „Wunsch Strategen“ fehlende Aspekte. Hier kann ein Finanzinvestor die Brücke sein, dem Unternehmen den notwendigen Schwung zu ermöglichen, dann in einem zweiten Schritt, an den Strategen verkaufen zu können.

Ist dieses Verhalten so denn bereits zu Verkäufern durchgedrungen oder besteht der „Heilige Gral“ nach wie vor darin, sein Unternehmen zu astronomischen Bewertungen direkt an einen strategischen Investor zu veräußern?

Eine sehr gute Frage. Lass mich hierauf zwei Antworten geben:

Zunächst ist es noch wichtig zu erwähnen, dass die von Finanzinvestoren gehaltenen Assets in der Regel unter der ursprünglichen Firmierung am Markt auftreten – bedeutet, auf den ersten Blick ist also oftmals gar nicht ersichtlich welche Unternehmen innerhalb eines Finanzinvestorportfolios gebündelt sind. Bei den unmittelbaren Wettbewerbsunternehmen haben die meisten Unternehmer/innen da noch einen relativ guten Überblick wer hier von wem in der Vergangenheit gekauft und/oder verkauft wurde. Wenn man in der eigenen Wertschöpfungskette eine Position vor oder zurückgeht, ist dies den meisten Verkäufer/innen nicht mehr so präsent und da tummeln sich sowohl innerhalb der strategischen Käufer als auch innerhalb der Finanzinvestoren sehr spannende Unternehmen, die als Käufer für das eigene Unternehmen in Frage kommen können.

Klar ist auch, dass gerade auch hier in Deutschland natürlich die Deals der großen Strategen wie beispielsweise SAP die Medien beherrschen. Also wenn SAP, wie in 2023 für LeanIX mehr als eine Milliarde für ein deutsches Start-up auf den Tisch legt, träumen gerade davon natürlich auch viele andere Start-up Gründer/innen. Das verstehe ich auch - diese Deals sind jedoch sehr, sehr selten, eben dem geschuldet, dass für solch eine Akquisition eben wirklich alles passen muss und in der Regel auch sehr sorgfältig und langfristig vorbereitet wurde, insbesondere natürlich auf Seiten der Start-ups.

Die Anzahl der Akquisitionen von strategisch denkenden Finanzinvestoren nimmt aus unserer Wahrnehmung jedoch merkbar zu und auch das Vorurteil, dass „Strategen mehr bezahlen als Finanzer“ entspricht nicht unserer Wahrnehmung der vergangenen Jahre.

Darüber hinaus noch ein weiterer Punkt, weswegen wir die Arbeit mit strategisch denkenden Finanzinvestoren sehr schätzen und der Meinung sind, dass dies für unsere Verkäufer/innen eine mindestens ebenbürtige Exit-Option darstellt, ist die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung und die Fähigkeit M&A-Prozesse effizient abzuschließen. Strategische Käufer sind, unserer Wahrnehmung zufolge, hier in der Regel weniger agil, was auch verständlich ist, denn die Prozesse sind in der Regel einfach komplexer.

Um Deine eigentliche Frage jetzt auch endlich zu beantworten: unser Gefühl ist, ja, gerade Start-up Gründer/innen träumen in der Regel vom (positiven) Schlagzeilen-Exit an den nationalen- oder internationalen strategischen Konzern. Bei Nachfolgeregelungen ist die Erwartungshaltung etwas gedämpfter, hier greifen Unternehmer/innen, unserer Erfahrung zufolge, im metaphorischen Regal der potenziellen Käufer/innen ein bis zwei Regalfächer weiter unten, zu Wettbewerbsunternehmen, die auf der Größenskala näher am eigenen Unternehmen liegen.

In der Tat, unsere Kunden haben oft Kandidaten im Visier, die näher am eigenen Unternehmen, aus dem eigenen Markt kommen. Bedeutet aber auch, dass die letztendlichen Käufer dann oftmals nicht auf dem initialen Radar der Unternehmer/innen zu finden waren. Und wie oft finden sich da spannende Zusammenschlüsse.

Das würde ich so unterschreiben, ja. Zu Beginn eines jeden Mandats sitzen wir mit den Unternehmer/innen zusammen, um das Käuferuniversum zu umreißen und arbeiten dabei die erweiterte Wettbewerbslandschaft der Unternehmen durch. Diese Gespräche sind immer hochspannend, weil wir durch unsere Erfahrung und Blick von außen immer Themen miteinbringen, welche die Unternehmer/innen so nicht auf dem Schirm hatten.

Im Umkehrschluss kommt es auch vor, dass wir denken, dass der eine oder andere Käufer aus unserer Sicht Sinn ergibt und die Unternehmer/innen durch ihre langjährige Markterfahrung uns in 2 Minuten darlegen, warum der theoretische „Hirnfurz“ des Beraters so nicht fliegt. Das gibt es auch.

Insgesamt hilft es uns aber natürlich ungemein neben den strategischen Käufer sehr genau zu wissen, welche Finanzinvestoren in welchem Bereich Portfolios auf- und ausbauen möchten. Und das ändert sich täglich. Dafür führen wir laufend Gespräche mit eben Diesen, um hier „up-to-date“ zu bleiben.

Und wie machen sich Unternehmer/innen schon vor dem Verkaufsprozess für den idealen Käufer attraktiv?

Im Detail lässt sich hier leider keine allgemeingültige Antwort liefern. Was natürlich alle Käufergruppen vereint ist eine Vorliebe für attraktive EBITDA-Margen und steigende Umsätze. Wobei, selbst hier gibt es Sonderfälle.

Wie dem auch sei, prinzipiell raten wir dazu, sich nicht auf den oder die ideale Käufer einzuschießen – es gibt in so einer potenziellen Transaktion zu viele Feinheiten, die man selbst nicht beeinflussen kann, mit der Folge, dass selbst eine auf dem Papier ideale Konstellation, nicht zu einem erfolgreichen Abschluss führt.

Wir als Berater sind aufgrund der dadurch steigenden Abschlusswahrscheinlichkeit, in den meisten Fällen Freunde der kritischen Masse. Bedeutet, dass wir bei einer anstehenden Transaktion immer empfehlen, eine ausreichend breite Ansprache zu wählen, das können im Einzelfall zwischen 30 und 300 potentielle Käufer sein, die wir in so einem Prozess ansprechen.

Was wollen die Angesprochenen sehen? Allein über diese Frage könnten wir ohne Probleme ein ganzes Interview führen. Ich versuche mich kurz zu fassen. Angewendet auf unser Kernmarkt, IT-Software / SaaS, blicken Käuferinnen und Käufer

  • zum einen selbstverständlich auf die Qualität der technischen Lösungen.
  • Wie tief sind die verkauften Lösungen in die Geschäftsprozesse der Kundengruppe integriert?
  • Wie leicht ist es die Lösung durch eine Alternativlösung zu ersetzen? Und hier liegt der Fokus nicht auf „wie lange ist der Kunde vertraglich gebunden“ sondern wie schwer ist es, wie lange dauert es und wieviel kostet es eine Alternativlösung so zu implementieren, dass sie mindestens den gleichen Nutzen liefert wie die eigene Lösung?
  • Und ist die Fähigkeit und das Potenzial diese Marktposition in attraktive finanzielle KPIs umzumünzen entscheidend, mündend unter anderem den Fragen: Wie gut ist die Sichtbarkeit zukünftiger Geschäfte? Wie hoch ist der Anteil der wiederkehrenden Umsätze? Wie ist die EBITDA-Marge?

Wenn Verkäufer/innen auf diese Fragen sehr gute Antworten haben, werden sowohl strategische Investoren als auch Finanzinvestoren jetzt und auch in Zukunft reges Interesse an ihren Unternehmen zeigen.

Felix, vielen Dank für Deine spannenden Einblicke. Das legt die Frage nahe, ab wann ein Unternehmen bereit ist für eine Transaktion? Aber das lass uns ein andermal diskutieren. Ich danke Dir für Deine Zeit und freue mich darauf, das Gespräch bald weiterzuführen.


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