Strategische Neuaufstellung: BAH wird zu 'Pharma Deutschland'

Strategische Neuaufstellung: BAH wird zu 'Pharma Deutschland'

Im März fiel der Startschuss für die Entwicklung des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) zum Vollversorger-Verband der pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland. Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender des Verbandes und Geschäftsführer der HERMES Holding, verrät uns im Gespräch, was es mit der Neuaufstellung auf sich hat.


Herr Wieczorek, können Sie uns etwas zu den Hintergründen der Umbenennung erzählen?

Ja, sehr gerne. Namensänderungen haben eine gewisse "Tradition" bei uns. Im Laufe seines 70-jährigen Bestehens wurde der Verband bereits sechs Mal umbenannt. Dieses Mal geht es jedoch nicht nur um eine reine Namensänderung, sondern tatsächlich mehr um eine strategische Neuaufstellung. Pharma Deutschland wird der mitgliederstärkste Verband der Branche.

"Wir haben uns breiter aufgestellt und in diesem Zuge auch den Namen geändert."


Was sind Themen und Herausforderungen, die die Branche und den Verband aktuell ganz besonders beschäftigen?

Dafür wird die Interviewzeit nicht reichen (lacht). Wir haben es tatsächlich mit vielschichtigen Herausforderungen zu tun. Bedingt durch die demographische Entwicklung in Deutschland werden uns steigende Kosten im Zusammenhang mit immer mehr behandlungsbedürftigen Menschen beschäftigen. Wir sehen diese Entwicklung bereits seit Längerem in der Pflege und im Klinik-Bereich. Dabei reden wir aus meiner Sicht bedauerlicherweise viel zu sehr über die Kosten im Gesundheitswesen, aber selten über den Wert. Hier sehen wir einen wichtigen Ansatzpunkt, um die Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie wesentlich zu verbessern oder zumindest zu erhalten. 

Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der die Produktion stetig nach Asien abwandert und die Forschung zum großen Teil in den USA stattfindet. Aufgrund der reinen Verrechnung der Kosten über die Krankenkassen lohnt es sich mittlerweile fast nicht mehr in Deutschland zu produzieren oder ein Pharmaunternehmen zu gründen.

Mit einem breiten Maßnahmenkatalog möchten wir uns dieser Problematik stellen. Dabei ist es sicherlich von Vorteil, dass wir als mitgliederstärkster Pharma-Verband gegenüber der Politik, aber auch bei den Krankenkassen mehr Gehör finden und auch mehr Impulse für die Umsetzung geben können.


'Pharma Deutschland' wird zukünftig auch auf Länderebene stärker vertreten sein und auch auf EU-Ebene - mit einem eigenen Büro in Brüssel ...

Die reine Namensänderung zu ‚Pharma Deutschland‘ wird keine Änderungsprozesse anstoßen. Deshalb war klar, dass unsere Aufgabe darin besteht, unsere Präsenz sowohl auf Länderebene, also auch EU-weit zu stärken. Viele Gesetze werden mittlerweile in Brüssel verabschiedet, weshalb sich die rund 50 Mitarbeitenden des bisherigen BAH bereits jetzt mehr oder weniger auch intensiv mit europäischen Gesetzgebungsthemen beschäftigen. Ein Büro in Brüssel war deshalb eine logische Konsequenz. Die zweite große Änderung im Zuge der Neuaufstellung besteht darin, die Präsenz vor Ort deutschlandweit zu stärken. Wir sind dazu dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) beigetreten und werden über diesen in sechs Landesverbänden zukünftig auch regional mit den Unternehmen und den dortigen Vertretern der Politik in Kontakt treten. So haben wir als Verband nicht nur die europäischen Gesetzgebungsverfahren im Blick, sondern stärken das Netzwerk für unsere Mitglieder, auch indem wir die Bedeutung der Umsetzung dieser Gesetze in den Bundesländern sehen.


Worin sehen Sie die Vorteile bezüglich des Beitritts in den Verband der Chemischen Industrie (VCI)? Wie sieht die Zusammenarbeit aus?

Ich bin überzeugt davon, dass der bessere Zugang zur EU-, Bundes- und Regionalpolitik, der durch den Beitritt entsteht, ein wesentlicher Faktor sein wird, um neue Mitglieder zu gewinnen.

"Ich sage gerne: Keinen Nachteil zu haben ist auch ein Vorteil. Unseren Mitgliedern diesen Zugang zur Politik nicht bieten zu können wäre ein echter Nachteil."

Umgekehrt möchten wir den Vorteil nutzen, die Vernetzung mit dem VCI noch besser nutzbar zu machen, weil es auch viele Themen gibt (beispielsweise im Bereich des Steuerrechts), bei denen wir nun auf deren Expertise zurückgreifen können.


Welche Unternehmen wird 'Pharma Deutschland' vertreten?

Nachdem der BAH zunächst als reiner OTC-Verband gegründet wurde, schlossen sich in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Hersteller verschreibungspflichtiger Medikamente an. Das schlägt sich auch in unserer Arbeit nieder. Spätestens seit einigen Gesetzesänderungen im Jahr 2004 ist ein Großteil unserer Tätigkeiten getrieben durch das Erstattungsgeschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Gleichzeitig ist es für die Politik selbstverständlich auch weitaus interessanter mit einem Verband zu sprechen, der die ganze Bandbreite von verschreibungs- und nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten abdeckt, als mit einzelnen Sparten-Verbänden.


Mit einem sehr eindeutigen und aussagekräftigen Namen …

… ja richtig. Jeder weiß sofort, worum es geht. Das wäre bei einer Fusion anders gewesen. Aber mit 'Pharma Deutschland' haben wir ein Alleinstellungsmerkmal – wobei der Name allein nicht reicht. Denn:

"Es kommt letztlich nicht auf die Verpackung an, sondern auf den Inhalt."

Das heißt, wir müssen jetzt entsprechend auftreten und Inhalte liefern.


Herr Wieczorek, vielen Dank für dieses Gespräch.

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