Should I stay or should I go? Die emotionale Achterbahn
„Gespräche zu erlebtem M&A“ ein Gespräch zwischen Martin Wilderer, Felix Brokatzky und Christoph Löslein

Should I stay or should I go? Die emotionale Achterbahn

Ist man selbst bereit für den Verkauf des eignen Unternehmens? Vielleicht die schwierigste Entscheidung in Vorbereitung eines Exits.

Das Thema habe ich in der Reihe unserer Gespräche zu erlebten M&A Erfahrungen mit meinen Kollegen Christoph Löslein und Felix Brokatzky diskutiert, insbesondere

  • die vielschichtigen Emotionen, die uns daran hindern können, sowie
  • Strategien nach Vorne

Emotionale Dimensionen einer M&A Transaktion

Martin: In unserem letzten Gespräch (LINK) haben wir einen Überblick gegeben, wann ein Unternehmen bereit ist für einen Verkauf. Ein oft weniger diskutierter Aspekt ist die Emotionale Dimension des Verkäufers

Christoph: In der Tat und der Grund warum darüber wenig gesprochen wird, ist sicher, dass es wenig mit der Ratio zu tun hat; und da tun sich sowohl die Unternehmer.innen als auch die Ökonomen und Juristen eher schwer. Die Frage lautet ja, ob der Unternehmer sich von seinem Unternehmen, seinem oder ihrem „Baby“ trennen kann.

Die Frage gewinnt umso mehr an Gewicht, je länger man in der Führungsposition war und wenn das Unternehmen ggf. bereits über mehrere Generationen im Eigentum einer Familie war.

Felix: Nebst Loslassen des Lebenswerks gibt es aber noch weitere Aspekte warum bei M&A auch Emotionen im Spiel sind. Um mal drei große Dimensionen zu nennen:  

  • Da ist zunächst die Unsicherheit und Angst betreffend der Zukunft des Unternehmens selbst, die Sicherheit der Arbeitsplätze und des Standorts. Auch entscheidend ist die Frage der eigenen Rolle nach dem Abschluss der Transaktion. Natürlich ändert sich etwas, wenn es ein Gesellschafterwechsel stattfindet, darüber sollte man sich bewusst sein. Neben der Frage nach Änderungen bei der Position und Aufgabe: für viele Geschäftsinhaber.innen ist das eigene Unternehmen ein zentraler Teil ihrer Identität. Ein Verkauf kann zu einem Gefühl des Identitätsverlustes und Fragen nach der zukünftigen Orientierung und Rolle führen.
  • Aber auch Druck und Stress in der Transaktion sollten man, vielleicht nicht das passende Verb, einplanen. Die Komplexität und der Umfang des M&A-Prozesses, verbunden mit dem Druck, die richtigen Entscheidungen zu treffen, können zu einem erhöhten Stresslevel führen, obwohl die Aufgabe z.B. als Geschäftsführer.in bisher auch nicht gerade eine Kuschelveranstaltung war.
  • Konflikte und Spannungen im Gesellschafterkreis können entstehen durch unterschiedliche Vorstellungen und Ziele der beteiligten Parteien, die sowohl persönlich als auch professionell belastend sein können. Das können wir oft bei Unternehmen sehen, bei denen über die Generationen sich multiple Familien im Gesellschafterkreis entwickelt haben, in denen sich dann professionelles mit familiärem schnell vermengt.

Martin:  All dies kann zu einer ungewöhnlichen Belastungen führen. Eine übrliche Reaktion ist dann das „Festhalten“ bzw „Verdrängen“ der Thematik. Oder es gibt Ausreden, dass es keine Nachfolger gibt, die Mannschaft noch nicht bereit ist, die Zeit noch nicht reif ist …

Christoph: Genau du das Traurige ist, dass damit das Lebenswerk gerade deswegen in Gefahr gebracht wird, also das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich erreichen will. Keine Entscheidung ist halt oft doch auch eine Entscheidung – und nicht unbedingt die Beste.

Felix: Wie heißt es doch, man soll gehen, wenn es am schönsten ist?

Strategien nach Vorne

Martin: Ja, aber damit machen wir es uns doch etwas einfach. Emotional kann ich die Problematik schon nachvollziehen. Wie kann man damit umgehen?

Christoph: Ein Ansatz ist die eigene Zielsetzung: eines meiner Ziele war es immer, mich selbst überflüssig zu machen. Eigentlich passiert das nie, da sich zumindest die Umwelt ständig verändert und damit die Notwendigkeit der Weiterentwicklung besteht.

Martin: Darauf anknüpfend hilft es, die Unternehmensentwicklung holistisch zu betrachten, dh.

  • was ist die nächste Entwicklungsstufe?
  • welche Kompetenzen braucht es dazu?
  • Buy or Build or Exit, dh kann man diese Kompetenzen aufbauen oder ist es einfacher diese zu kaufen (ggf via einer Finanzierungsrunde zusammen mit einem Finanzinvestor) oder mag es ein anderer, ein potentieller strategischer Käufer vielleicht viel einfacher handhaben als man selbst

Wenn man es schafft, diese Gabellungen zu identifizieren und sich als Gesamtorchestrator zu verstehen, dann bleibt man nicht nur Herr der Dinge, sondern kann den Unternehmensverkauf auch als Staffelstabsübergabe verstehen und damit als größter Erfolg.

Felix: Und auch danach muss es einem nicht langweilig werden. So ist die aufgebaute Erfahrung ja oft auch wertvoll als Berater oder gar operativer Partner, sei es von den Strategen, den Finanzinvestoren oder Unternehmen wie unserem.

Martin: In der Tat, wie zeichnen uns ja gerade damit aus, in unserem Partnerkreis Ex-Unternehmer zu haben, die es schon mal gemacht haben und bei weitem nicht gelangweilt zu Hause sitzen wollen. Also im Zweifel gibt es bei uns eine „neue Heimat“. Aber mal Spass bei Seite, Christoph, welche persönliche Empfehlung gibst Du oft den Unternehmern?

Christoph: Gerne empfehle ich, sich mit anderen Unternehmern auszutauschen, wie diese damit umgehen. Sowohl Unternehmer, die es schon hinter sich haben, als auch diejenigen, die vielleicht mitten im Prozess hängen. Die Frage stellt sich im Prinzip jeder, dh ist ein Grad weit normal. Wenn man sich jedoch mit den Fragen verkriecht, sich ins eigene Kämmerlein verzieht, dann ist die Gefahr gross, sich im „eigenen Saft zu drehen“. Wir haben da schon so manch Unternehmer zusammengebracht, die uns dann berichtet haben, wie erlösend das war.

Schlussfolgerung

Felix: Heißt also, man ist nicht alleine, es gibt ein Leben danach, sogar im Arbeitsumfeld, und wenn man die Weitergabe des Unternehmens als Staffelstabsübergabe versteht, wird es eine strategische Frage, welche Unternehmer eigentlich gut beantworten können.

Martin: Das klingt nach einer guten Zusammenfassung. Auf dass wir uns mögliche Strategien das nächste mal anschauen. Ich danke Euch heute, für das Gespräch.

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