Schieflagen in M&A Projekten: das braucht niemand, wie kann man sie vermeiden?
„Gespräche zu erlebtem M&A“ ein Interview von Martin Wilderer mit Christoph Löslein

Schieflagen in M&A Projekten: das braucht niemand, wie kann man sie vermeiden?

Im Rahmen unserer Serie „Gespräche zu erlebtem M&A“ ein Interview von Dr. Martin Z. Wilderer mit Christoph Löslein zu den zwei Fragen

  • Woran scheitern M&A Projekte?
  • Welche Strategien helfen, dies zu vermeiden?

Hallo Christoph. Auf eine neue Runde zur erlebten Praxis in M&A. Letzte Woche haben wir uns über Erfolgsgeheimnisse in M&A Projekten unterhalten. Heute mal die andere Seite. Was sind Deiner Meinung nach Hauptgründe warum ein M&A Projekt scheitert?

Gute Frage, aber zunächst eine Frage zurück: zu welchem Zeitpunkt im Prozess?

Ich muss das fragen, denn wenn ein gut eingeführter Prozess erstmal am Laufen ist, dann sind echte „Fuckups“, entschuldige die Wortwahl, also Prozesse die aufgrund von Fehlern, von wem auch immer, begangen wurden, nach unserer Erfahrung eher selten.

Unvergessen sind zwar Projekte in denen die Verkäufer/innen sehr kurz, also 1-2 Tage, vor Vertragsabschluss vielleicht Angst vor der eigenen Courage bekommen und sich entschieden haben, einfach gar nicht verkaufen. Das ist ein gescheiterter Prozess, sehr unangenehm für alle Seiten und hier können wir als Berater/innen nur insoweit Einfluss nehmen, dass wir frühzeitig den verkaufenden Szenarien aufzeigen, wie die Welt nach dem Signing aussieht und sich vermutlich anfühlen wird.

Also lass mich mehr spezifisch sein. Wie sieht es mit Projekten aus, die nicht am Ende, sondern mittendrin scheitern oder hoffentlich nur drohen zu scheitern

Martin, wenn wir einmal davon ausgehen, dass die wirtschaftliche Lage des zu verkaufenden Unternehmens sich nicht im Prozess verschlechtert, was zu einem Abbruch führen kann, dann hat das nach meiner Beobachtung mit folgenden vier Hauptgründen und auch manchmal einer Mischung daraus zu tun:

  • Erstens substanzielle, negative Erkenntnisse aus der ersten Prüfungsphase, der Due Diligence, sogenannte Red-Flags.
  • Zweitens Uneinigkeit bei den Konditionen.
  • Drittens Änderung der Situation bei dem oder der Käufer/in und
  • viertens negative externe Faktoren, die oft überraschend auftreten.

Fangen wir mit dem letzten Grund an, der nicht zwingend zu einem Scheitern, aber zu einer möglicherweise teilweise deutlichen Verzögerung führt, nämlich dem Eintreten externer Ereignisse. Das können makroökonomische Veränderungen sein, wie eine rapide Erhöhung des Zinsniveaus, aber auch massive politische Ereignisse (9/11, Ukrainekonflikt). Vorkommnisse also, die weder Käufer/innen noch Verkäufer/innen beeinflussen können und dazu führen, dass alle Parteien erst einmal beobachten wollen, welche Auswirkungen diese auf das Geschäft, beispielsweise die Refinanzierung einer Transaktion haben.

Ein häufiger Grund für das Scheitern sind die Ergebnisse der Due Diligence und hier sind es Erkenntnisse, die auch die Verkaufenden so nicht auf dem Radarschirm hatten. Schuldhafte Verpflichtungen, teilweise auch nicht in der Bilanz erfasst, Abhängigkeiten im operativen Geschäft die Käufer/innen und Verkäufer/innen substanziell unterschiedlich interpretieren, Erkenntnisse, die dazu führen, dass Käufer/innen von einer schwierigen Integration ausgehen und damit einer erschwerten Nutzung von Synergien, was wiederum den Unternehmenswert drückt und ggf. die notwendige Refinanzierung belastet.

Kommen wir zu den Konditionen und Meinungsverschiedenheiten über den Wert des Zielunternehmens. Das ist eher die Regel als die Ausnahmen und das dürfte wohl auch niemanden überraschen. Dabei wird häufig am Anfang unterschätzt, dass der gebotene Preis zwar wichtig ist, aber eben nicht den gesamten Wert und alle Implikationen einer Transaktion abbildet. Es können komplizierte Vertragsverhandlungen folgen, die sich um die Ableitung des Kaufpreises, Zahlungsbedingungen, Integration, Anstellungsverhältnisse und Garantien drehen und wenn sich herausstellt, dass es in der Gesamtheit dieser Faktoren keine Überlappung der Vorstellungen ergibt, kann dies ebenfalls zum Abbruch führen.

Was kann alles auf Seiten der Käufer/innen schiefgehen? Leider mehr als Verkäufer/innen lieb sein kann: Finanzierungsprobleme, Widerstand oder fehlendes Alignment von wichtigen Stakeholder/innen, ein Strategiewechsel oder Änderungen in der Geschäftsführung sind nur die wichtigsten Gründe, warum sich Käufer/innen zurückziehen.

Scheitern ist keine Option, weil alle schon zu viel direkt und indirekt investiert haben – welche Strategien helfen es zu vermeiden?

Gehen wir nach der Reihe die vier Hauptursachen durch.

Externe Faktoren: Hier empfiehlt sich ganz klar – aus Sicht der Verkäufer/innen – bloß nicht alles nur auf eine Karte zu setzen! Potenzielle Käufer/innen können sehr diverse Backgrounds haben, wie Typ, Strategie, Risikoappetit und geografischer Fokus und interpretieren naturgemäß solche externen Einflüsse unterschiedlich, selbst wenn diese massiv sind. Selbst in schwierigsten Umständen kam es noch nie in den letzten 100 Jahren zum Stillstand der M&A Aktivität und davon sind wir, auch bei einer generellen Eintrübung hier, ja auch meilenweit entfernt. Die Märkte sind immer noch überdurchschnittlich liquide.

Was die Red-Flags angeht, also negative Erkenntnisse aus der Due Diligence, gibt es – ganz entgegen dem negativen Touch, die diese naturgemäß verbreiten, gute Nachrichten: Es gibt kaum solche, die man nicht schon vorher hätte erkennen können und viele davon sind, mit entsprechender Vorbereitung, auch vermeid- oder wenigstens erklärbar. Abgesehen davon mag wohl niemand negative Überraschungen, daher sollte man vorher bereits wissen, was potenziellen Käufer/innen nicht passt, insbesondere was Businessmetriken angeht. Eine hohe Kundenkonzentration ist so ein typischer Fall. Und wenn man gut vorbereitet ist, kann man auch erkennen, ob ein Red-Flag nicht auch einfach ein willkommener Anlass ist, die Konditionen zu optimieren.

Uneinigkeiten bei den Konditionen lassen sich vermeiden. Zu oft sehen wir, dass Käufer/innen und Verkäufer/innen mal schnell etwas, meistens ein Unternehmenswert, recht unverbindlich aber doch als Verhandlungsgrundlage festlegen. Das geht oft schief und bringt zumindest einmal Konfliktpotenzial mit sich. Was die Konditionen angeht, muss alles auf den Tisch, und möglichst viel sollte davon schriftlich vereinbart sein, nur so lassen sich Überraschungen vermeiden und möglichst viel Vertrauen gegenseitig aufbauen. Das Gegenteil gibt es auch: über alles mögliche wird verhandelt, aber der Preis (die sprichwörtliche „Butter bei die Fische“) wird nicht oder nur unzureichend quantifiziert.

Die Gründe auf der Käufer/innen-seite für einen Abbruch kann man nicht immer von vorneherein kennen, aber ein/e gute Berater/in sollte in der Lage sein, einen guten Teil davon bereits im Vorfeld zu analysieren und reagieren.

Du hast erwähnt, dass es vorgekommen ist, dass Verkäufer/innen spät einen Prozess abbrechen. Was sind das für Konflikte, die dazu geführt haben?

Ich kann hier, glücklicherweise, nur wenig aus Erfahrung sprechen, aber ich habe es bei Kolleg/innen mitbekommen und habe es hier bei Board Advisors auch schon erlebt.

Die Veräußerung kann für Verkäufer/innen eine emotionale Achterbahnfahrt sein. Viele machen das einfach zum ersten Mal und sogar Unternehmer/innen, die schon öfter gegründet und dann verkauft haben, sind nicht gefeit davor. Das kommt dann manchmal doch überraschend, sind wir doch als Unternehmer/innen darauf getrimmt eher rationale Entscheidungen zu treffen und blenden die Gefühlswelt, ich vermute zu oft, aus.

Häufige Gründe für einen Rückzug sind: starke und eine vorher nicht reflektierte emotionale Bindung an das Unternehmen. Die Sorge um die Mitarbeitenden, den Standort, die Kultur und alle Veränderungen, die sich auf diese Aspekte auswirken können, schlagen oft in tatsächliche Angst um. 

Christoph, wie lautet Dein Fazit?

Die technischen Seiten eines M&A-Prozesses lassen sich durch eine frühe und intensive Vorbereitung und professionelles Projektmanagement gut bewältigen. Dadurch können auch Risiken deutlich reduziert werden.

Die größere Herausforderung stellen emotionale Aspekte dar und Verantwortliche im M&A-Prozess müssen Emotionen von Käufer/innen und Verkäufer/innen verstehen und in Einklang bringen können. Das ist natürlich eine sehr individuelle Angelegenheit, denn nicht nur ist schon jedes einzelne Unternehmen einzigartig, sondern das Zusammentreffen und die daraus beabsichtige Kombination von Käufer/in und Verkäufer/in ist absolut singulär.

Letzter Tipp: Für Verkäufer/innen empfehle ich auch im Vorfeld Gespräche mit anderen Unternehmer/innen zu führen, die diesen Weg bereits gegangen sind. Das kann wertvolle Einblicke und Unterstützung bieten, übrigens nicht nur was diesen Aspekt angeht.

Christoph, ich danke Dir für das Gespräch und freue mich darauf, dies bald fortzusetzen.

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