Beitrag von Andreas Bovenschulte

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Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen

Ich habe es mir zum Grundsatz gemacht Presseartikel nicht zu kommentieren. Im vorliegenden Fall muss ich aber von dieser Regel abweichen. Der Weser Kurier berichtet in seiner heutigen Ausgabe über eine Antwort des Senats auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis Deutschland, in der es unter anderem um die Kriminalitätsbelastung unbegleiteter minderjähriger Ausländer (umA) geht. Dargestellt wird in dem Artikel, dass zwischen Oktober 2023 und April 2024 insgesamt 242 umA in der Stadt Bremen vorläufig in Obhut genommen worden seien. Von diesen seien nach Auskunft des Senats 162 strafrechtlich in Erscheinung getreten. „Das wären zwei von drei oder 67%“, so die Schlussfolgerung des Autors. 67%? Der Leser muss bei dieser Zahl den Eindruck gewinnen, dass es sich bei den betreffenden umA um eine in ihrer großen Mehrheit kriminelle Gruppe handelt. Das stimmt aber so nicht. Der Artikel erwähnt eine wichtige Information nicht, die der Senat in seiner Antwort ebenfalls gibt: Von den 162 umA, die strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, sind 153 ein einziges Mal auffällig geworden und zwar wegen eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Zwei Personen haben zweimal gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen (Zur Einordnung: Die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet sind strafbar. Daher besteht bei umA oft der Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen). Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz sind zwar keine Kavaliersdelikte, aber hinsichtlich ihrer Sozialschädlichkeit doch etwas deutlich anderes als Raub, Diebstahl, Körperverletzung oder Drogenhandel. Die Zahl der „echten“ Straftäter unter den 242 umA, die zwischen Oktober 2023 und April 2024 in der Stadt Bremen in Obhut genommenen wurden, liegt nicht bei 162 sondern bei sieben Personen. Das entspricht einem Anteil von 3%. Welche Zahl beschreibt nun die soziale Wirklichkeit zutreffender: Sind 67% oder 3% der betreffenden umA im landläufigen Sinne „kriminell“? Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand.

1011 Straftaten von Kindern unter 14 Jahren

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e-pages.dk

Matthias Wieneke

Leiter des Kreditreferats beim Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen

2 Wochen

Die öffentlich verfügbare Antwort auf Frage 6 liest sich irgendwie anders: "Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz wurden bei der Beantwortung dieser Frage nicht berücksichtigt, da dies dazu führen würde, dass umA, die bereits im Verdacht stehen, gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen zu haben und in einem weiteren Fall zumindest als tatverdächtige Person polizeilich geführt werden, als Mehrfachtäter:innen eingestuft würden. Dadurch wäre die Aussagekraft der Auswertung hinsichtlich Mehrfachtäter:innen erheblich eingeschränkt. In der Stadt Bremen sind im Jahr 2023 101 als umA geführte Personen, die zur Tatzeit 14 bis 17 Jahre alt waren, mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. Vom 01. Januar 2024 bis zum 30. April 2024 sind in der Stadt Bremen 32 als umA geführte Personen, die zur Tatzeit 14 bis 17 Jahre alt waren, mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten." Bei den sieben Personen scheint es sich ausweislich der Fragestellung um umA zu handeln, die zwischen dem 01.10.2023 und dem 30.04.2024 ins Land Bremen kamen. Bei den 101 umA handelt es sich wohl um alle, egal seit wann sie in Bremen sind. Insofern ist Ihre letzte Frage "Welche Zahl beschreibt nun die soziale Wirklichkeit zutreffender?" nicht leicht zu beantworten.

Sebastian Kaschel

The young and lovely flying subjects around you is all to live for

3 Wochen

Lieber Herr Bovenschulte, Da ich es selbst nicht nachvollziehen kann, Daten liegen mir nicht vor, gehe ich mal davon aus, dass es stimmt, was sie hier klarstellen. Es geht in der Bevölkerung um das Gefühlte & die persönlichen eindrücke, welche zu einer anderen Wahrnehmung führen. =>Bahnhof&Bahnhofsvorstadt bis in die Innenstadt, besser nicht hingehen =>gleiches gilt auch für andere Bezirke, wie z.B. Teile des Viertels Das ist dann insbesondere zutreffend, wenn es dunkel wird. Stichpunkte: - Drogenhandel - Raub - Clans & dazugehörige Kriminalität, schauen bei diesem Punkt eigentlich die Staatsorgane aus executive und judikative weg? =>als Ordnungsamt, Polizei & Staatsanwaltschaft müsste hier extrem hart und konsequent vorgegangen werden, trotz aller teils mit persönlichen Risiken bei benannten Gruppen. ==>>eine Demokratie und ein Rechtsstaat dürfen hier nie aufgeben. 🚗 konfiszieren, konsequente andauernde strafverfolgung usw. =>leider zählt dieser Gesamteindruck, der dass Bild bezogen auf Flüchtlinge verzerren mag, es trifft meistens die schwächsten - irgendwie ein Grundsatz bei Entwicklungungen vergangener 3-4 Jahrzehnte=>entfesselter Kapitalismus! Integration ist kein Selbstläufer/Akzeptanz der Bevölkerung...

Henriette Schmidt-Gorbach

Be Your Own Leader - Selbstführung ist die wichtigste Kompetenz in stürmischen Zeiten!

3 Wochen

Danke für diese Richtigstellung und Einordnung! Zahlen sind leider nicht wählerisch bei Ihrer Verwendung. Wir brauchen Klarheit um uns auf die wirklichen Probleme zu konzentrieren. Pseudo-Probleme zur Stärkung von Populisten dürfen weder unsere Ressourcen verschwenden, noch die Stimmung versauen.

Charlotte Bewick

Head Of Science, Exploration & Space Safety Dept. | OHB Mission and System Predevelopment

3 Wochen

Danke für diese Richtigstellung. Ich hoffe, es handelte sich um ein einfaches Missverständnis und die Korrektur wird von den Verantwortlichen mit dem Eifer, gleicher Sichtbarkeit und gleicher Reichweite möglichst schnell publiziert.

Sabine Meyer-Pietruske

Marketing & Kommunikation aus Leidenschaft

2 Wochen

Das passiert wohl nicht nur dem WK, sondern generell werden die Zahlen dazu gerne mal anders dargestellt. Ich fand dazu diese Folge spannend, in der ein Kriminologe erklärte, dass auch Babys sehr häufig in den Zahlen vorkommen und die deswegen so hoch ist. https://open.spotify.com/episode/7uUnsXkK9rrgGZgT5FJqqy?si=iU_gQr9FQQaQ6w4qIhjejQ

Da sieht man wieder, wie wichtig der Kampf gegen Desinformation und Populismus ist.

Timo Nobis

Glücksspielfrei e.V. - Bundesverband Selbsthilfe Glücksspielsucht

2 Wochen

Danke für diese extrem notwendige Einordnung. Schade, dass sich der Autor des Artikels dieses Grundpfeilers journalistischer Arbeit nicht bedient hat.

Prof. Dr. Aysun Doğmuş

Erziehungswissenschaft: Lehren und Lernen in der Migrationsgesellschaft - TU Berlin

3 Wochen

Danke!

Tabea Herrera 🙋🏼♀️

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2 Wochen

Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen diese Daten korrekt einzuordnen! So ein wichtiges Thema, und was für ein gravierender Fehler in der Berichterstattung bei einem so sensiblen Thema! Bremer Tageszeitungen AG (WESER-KURIER)

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