Aus dem Kurs: Visual Storytelling für Marketing und PR

Schau mir in die Augen: Wie Bilder wirken

Was passiert eigentlich beim Sehen, wenn wir auf etwas blicken? Um ein gutes Auge zu bauen, benötigen Sie etwas Hornhaut, eine Iris, eine Pupille und eine Linse, einen Glaskörper sowie eine Netzhaut mit jeder Menge Fotorezeptoren, besser bekannt als Zapfen und Stäbchen. Genau genommen brauchen Sie 125 Millionen davon. Darüber hinaus sind noch 1 Million Nervenfortsätze für den Sehnerv erforderlich, der die Verbindung zum primären, visuellen Kortex bildet. Das ist die Region im Gehirn, die die Lichtinformation weiter verarbeitet. Der Bauplan eines Auges ist also schnell erstellt, doch damit ist das Phänomen des Sehens noch lange nicht erklärt. Und es gibt da bis heute noch ein paar blinde Flecken, die wir uns nicht erklären können. Die griechischen Philosophen Demokrit und Epikur glaubten, dass jeder Gegenstand ein farbiges Abbild auslöse, ein sogenanntes Eidolon, das durch die Luft fliegt und dann ins Auge wandert, wo unsere Seele es erkennt. Platon behauptet, dass das Auge selbst Sehstrahlen und Licht aussende und die Welt absuche. Erst Aristoteles kam dem Rätsel näher, denn er beschäftigte sich nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit dem Phänomen Licht. Einige seiner Kernaussagen zum Licht haben bis heute Gültigkeit und begründeten die Wissenschaft der Optik; Kernaussagen wie "Licht ist immateriell", "Licht wird von Gegenständen reflektiert", "Licht ist unsichtbar." Aber es dauerte noch weitere 1.000 Jahre, bis es Abu Ali al-Hasan ibn al-Haytham, einem arabischen Gelehrten aus Basra, gelang, das Wunder des Sehens zu entschlüsseln. Sein Buch der Optik gilt bis heute als eines der bedeutendsten Werke der Physik und der Medizin, denn es beschreibt erstmals den anatomischen Aufbau des Auges, zeigt die Bedeutung der Linse und widerlegt die antike Sehstrahltheorie Platons. al-Hasan entdeckte, dass Sehen weniger im Auge als vielmehr im Gehirn stattfindet und es damit stark von der persönlichen Erfahrung eines Menschen abhängt, wie und was er sieht. Denn es kommt ganz darauf an, wie unser Sehnerv die Information weiterleitet und unser Gehirn diese Information verarbeitet. Dass diese Verarbeitung auch ganz anders funktionieren kann, kann man an Synästhetikern erleben, wie Daniel Tammet. Tammets Gehirnregionen sind auf ungewöhnliche Weise miteinander verschaltet. Deshalb sieht er Zahlen in Farben und mit speziellen Konturen. Sehr deutlich wird das in seinem Buch Born on a Blue Day. "Ich bin am 31. Januar 1979 geboren, ein Mittwoch. Ich weiß das, denn ich sehe das Datum als blaue Farbe wie alle Mittwoche. Ähnlich wie die Zahl 9 und das Geräusch lauter Stimmen, die debattieren. Ich mag mein Geburtsdatum, weil ich die meisten Zahlen darin als glatte, runde Formen vor mir sehe, ähnlich wie Kieselsteine am Strand. Das liegt daran, dass es Primzahlen sind, 31, 19, 197, 79 und 1.979. Ich erkenne jede Primzahl bis 9973 an ihrer kieselhaften Art. Das ist einfach die Art, wie mein Gehirn arbeitet." Die Nervenzellen der meisten Menschen sind spezialisiert, spezialisiert darauf, Zahlen zu erkennen und zu verstehen. Andere Nervenzellen sind dafür verantwortlich, Farbe zu erkennen. Und diese Nervenzellen arbeiten unabhängig voneinander. In Tammets Gehirn sind sie miteinander vernetzt. Er kann diese Informationen kombinieren wie kein anderer Mensch. Das hat Vorteile, wenn man in einem mathematischen Wettbewerb hervorstechen möchte, hat aber auch erhebliche Nachteile, denn wenn Tammet um sich blickt, dann ist die Informationsdichte, die er verarbeiten muss, unglaublich hoch und strengt ihn sehr an. Doch zurück zur Erforschung des Auges und des Sehens. al-Hasan konnte um 1000 nach Christus wichtige Vorarbeiten leisten, die zur Erfindung der Brille beigetragen haben. Eines konnte er allerdings nicht erklären: warum wir Farben sehen. Hierzu war die Arbeit von Sir Isaac Newton über 600 Jahre später entscheidend, denn Newton bestätigte Aristoteles' These, dass Licht selbst keine Farbe hat. Stattdessen setzt es sich aus Spektralfarben zusammen. Rot, Grün und Blau sind die Primärfarben, aus denen sich alle Farben, die wir Menschen sehen können, zusammensetzen. Und die Rezeptoren unserer Netzhaut sind auf die Wellenlängen dieser Farben spezialisiert. Wenn Sie jetzt aber glauben, dass wir die Farben automatisch und ohne große Anstrengung in unserem Gehirn verarbeiten, dann irren Sie sich. John Ridley Stroop wies 1935 in einem einfachen Test nach, dass wir schneller lesen können als Farben benennen. Sie können gerne den Test selbst machen. Versuchen Sie die Farbe der Wörter zu sagen, ohne die Wörter tatsächlich zu lesen. Ignorieren Sie also die Buchstaben und nennen Sie einfach nur die Farbe. Das ist gar nicht so einfach, oder? Wir sind so trainiert auf das Lesen von Worten, dass unser Gehirn die Versuchung, das Wort zu lesen, aktiv unterdrücken muss, um sich auf die Bezeichnung der Farbe zu konzentrieren. Ganz unmöglich ist diese Aufgabe für farbenblinde Menschen, eine Krankheit, die sehr selten ist. Ein beträchtlicher Anteil der Menschen ist allerdings rot-grün-blind. Ob Sie dazu gehören, können Sie hier testen. Wenn Sie Marilyn Monroe nicht sehen, gehören Sie zu den 8 bis 10 Prozent der betroffenen Männer oder 0,5 Prozent der Frauen, die genetisch bedingt die Farben Rot und Grün nicht unterscheiden können. Wie wir Farben sehen und erkennen können, ist mittlerweile bestens analysiert und doch ist das Phänomen Sehen immer noch nicht ganz erforscht. Ein Beispiel: Betrachten Sie diese Grafik von Nick Wade für ein paar Sekunden, konzentriert. Fokussieren Sie dabei die Mitte des Bildes. Die meisten Betrachter berichten nach einer Weile, dass sich die Kreise zu bewegen beginnen. Und manche sehen sogar Farbe im Zentrum der Illustration, obwohl die Grafik statisch und ausschließlich schwarz-weiß ist. Eine optische Täuschung. So ganz können sich die Experten nicht erklären, warum wir plötzlich Bewegung und Farbe sehen. Die Illusion der Drehbewegungen könnte durch unterschiedliche Leitgeschwindigkeiten Rezeptoren auf die Retina und in den Sehnerv entstehen. Unser Gehirn deutet das Gesehene also schneller, als es tatsächlich wahrgenommen wird. Und auch die Farbe scheint mit der Geschwindigkeit der Verarbeitung zusammenzuhängen. Offenbar sehen wir Farben nicht absolut, sondern in Bezug auf benachbarte Farben. Ja, es gibt noch einiges aufzuarbeiten in der Wissenschaft der Optik. Der blinde Fleck hingegen, von dem Sie sicher schon gehört haben, der wurde bereits 1666 gefunden und erklärt, vom französischen Physiker Edme de Mariotte. Unsere Netzhaut ist über den Sehnerv direkt mit dem Gehirn verbunden. Der Nerv muss an einer Stelle der Netzhaut andocken. Daher können dort keine Rezeptoren sitzen. So entsteht ein kleiner blinder Fleck, den wir eigentlich nicht wahrnehmen, da unser Gehirn automatisch die Lücke füllt, aber wenn Sie wollen, dann können Sie ihn sehen. Halten Sie das rechte Auge zu und schauen Sie mit dem linken auf das Kreuz. Sie werden sehen, wenn Sie den richtigen Abstand gefunden haben, verschwindet plötzlich der Kreis. Das ist Ihr blinder Fleck.

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