Aus dem Kurs: Grafikdesign-Tipps von John McWade

Im Fluss bleiben

Bei einem Bild mit starken Linien ist mein erster Design-Impuls fast immer, die Linien des Bilds und die der Seite in dieselbe Richtung laufen zu lassen. Ich habe drei Beispiele. Wenn Sie meine anderen Kurse gesehen haben, kennen Sie dieses Bild bereits. Es gehört zu meinen Lieblingsbildern. Ich mag es, wegen seiner starken Linien. Es gibt eine starke Mittellinie. Die Geisha ist auf beiden Seiten der Linie symmetrisch. Da sind die physischen Linien des Kragens, die Linien des Gesichts, die Linie, die von den Augen und dem Mund gebildet wird, der nach unten gerichtete Blick. Alle Linien in diesem Bild konzentrieren sich Richtung Mitte und unten. Das sollten wir nutzen, wenn wir das Bild auf einer Fläche platzieren. Wir haben eine Seitei m Hochformat mit einer starken vertikalen Mittellinie. Die Linien des Bilds und die der Seite sollten sich gleichartig verhalten. Anderenfalls könnten wir ein solches Ergebnis erhalten. Das Problem ist hier, dass die Geisha zentriert ist, mit all den Linien, die in diese Richtung zeigen, während sich die Linie der Seite hier drüben befindet. Es gibt also einen Bruch. Beide Elemente passen nicht zusammen. Noch ein paar andere Fragen bleiben offen. Zum einen schwebt die Geisha hier in der Luft, weil das Bild beschnitten ist. Das wirkt unnatürlich, wenn man bedenkt, dass sich alles in diesem Bild nach unten bewegt. Zweitens erhalten wir auf diese Weise eine sehr seltsam geformte Fläche. Und dadurch erhalten wir ein solches Design – es ist in Wirklichkeit gar kein Design. Wir haben einfach vier Objekte, eine Überschrift, einen Text, ein Bild, alles etwa gleich groß, einfach auf der vorhandenen Fläche angeordnet, ohne Fluss, Rhythmus und Hierarchie. Das sollten wir also vermeiden. Die Lösung besteht darin, zunächst die Bildlinien und die der Seite in dieselbe Richtung laufen zu lassen. Das wirkt viel besser, bis auf die Tatsache, dass das Bild immer noch klein und beschnitten ist – es schwebt also immer noch. Durch die abgeschnittenen Schultern entsteht natürlich diese Form. Mit dieser müssen wir dann layouten, und das ist sehr ungünstig. Hier die bessere Lösung. Jetzt ist sie auf der Seite geerdet. Das Bild reicht in den Anschnitt, es wirkt nicht mehr, als würde es schweben. Jetzt scheint sie uns einfach gegenüberzustehen und wir schauen sie an. Jetzt weisen alle Linien genau in dieselbe Richtung. Die Linie der Seite und die der Geisha sind identisch. Ich erledige nun zwei Dinge, die für die Demonstration nicht notwendig wären. Zuerst färbe ich die Seite schwarz, das wirkt kraftvoll und ruhig. Das Haar verschmilzt mit dem Hintergrund, wodurch ihr Gesicht und ihr Kimono wie auf einer Leinwand reliefartig hervorgehoben werden. Und dann vergrößere ich sie richtig. Jetzt weisen alle Linien offensichtlich in dieselbe Richtung. Hier ist die Mittellinie klar zu sehen, ihre Blicklinien, das Dreieck ihres Gesichts, die Linien ihrer Wangen, die Linien des Kragens, alles konzentriert sich hier unten. Das Bild ist nun wirklich groß. Und jetzt können wir eine kleine Kopie auf die Seite setzen, aber alle Linien führen genau zu dieser Stelle. Das ist eine schöne Lösung. Wir haben ein wirklich großes Element, ein kleines Element. Hier haben wir ein glattes Bild und hier ein sehr strukturiertes, detailliertes Bild. Eine Menge guter Kontrast. Es ist eine schöne Lösung. Der Grund ist, dass jetzt alle Linien in dieselbe Richtung reichen und sich gleichartig verhalten. Ich habe noch zwei Beispiele. Der gezeichnete Wolkenkratzer ist, wie man sieht, mit einer starken vertikalen Linie zentriert. Durch die Zentrierung gibt es zwei starke Seitenlinien. Aber er sitzt asymmetrisch auf der Seite, wie Sie sehen. Die Gebäudemitte und Seitenmitte verhalten sich also unterschiedlich. Es ist eine saubere Seite, ein perfektes Design. Es hinterlässt eine Art unregelmäßigen oder ungeordneten weißen Raum. Das funktioniert tatsächlich, weil keine Formen entstehen, die uns etwas sagen wollen. Interessant ist, dass die zentrierte Lösung mehr auf die Seite abgestimmt ist. Alles läuft die Mittellinie hinunter, die Schrift ist an den Bildrändern ausgerichtet, wodurch wir starke vertikale Linien erhalten. Alle Linien auf der Seite streben in die gleiche Richtung, aber wir erhalten diese seltsame weiße Hufeisenform. Das Problem ist, dass sie so symmetrisch wirkt, dass dieser Raum bedeutsam scheint. Leerraum kann eine sehr starke Präsenz in einem Design haben. In diesem Fall wirkt er so, als sei er beabsichtigt, was aber nicht der Fall ist. Bei einem Bild wie diesem bevorzuge ich immer diese Lösung. Wir haben eine sehr starke Mittellinie. Das Gebäude verläuft genau durch die Mitte der Seite. Wir haben diesen starken negativen Raum auf der rechten Seite und eine starke Textspalte zur Linken, die diesen Raum füllt. Mir gefällt, dass die Linien in die gleiche Richtung wie die Seite gehen, aber auch eine gewisse Asymmetrie vorhanden ist. Es gibt also die Spannung der Asymmetrie, aber es gibt nichts Willkürliches auf der Seite. Nur die Illustration selbst müssen wir uns ansehen. Es ist der eigentliche Blickfang. Wir haben den Text, der dieses Bild beschreibt, und nichts weiter. Es gibt keinen zusätzlichen Weißraum, der vorgibt, eine Aussagekraft zu haben. Meiner Meinung nach ist das rechte Bild das sauberste und kraftvollste dieser Bilder. Diese Lösung probiere ich immer als Erstes. Sie mag aus dem einen oder anderen Grund nicht funktionieren, aber damit fange ich immer an. Ein weiteres Beispiel, diesmal eine Landschaft. Es ist ziemlich offensichtlich, warum ich es ausgewählt habe: Die Linien auf dieser Seite sind sehr horizontal. Mehrere Horizontlinien, die Linien der Hügel, die Linien des Grases im Vordergrund. Deshalb möchte ich auch ein horizontales Layout gestalten. Der Text verläuft entschieden horizontal, wodurch im negativen Raum eine starke waagerechte Linie entsteht. Wie Sie sehen, hat sie dieselbe Größe wie diese Fläche und auch fast dieselbe Größe wie diese Fläche. Wir haben also viele starke horizontale Linien, die einander auf diese und auch auf diese Weise entsprechen. Für mich ist dies die stärkste Linie auf dieser Seite. Ich habe diese Überschrift hier oben schwebend gesetzt, ohne sie an irgendetwas auszurichten. Wenn ich sie hier oder hier ausrichten würde, würde unbeabsichtigt ein Rechteck entstehen. Ich möchte die Überschrift hier oben lieber frei schweben lassen. Mein Auge betrachtet sie nicht als Teil der Linie. Ihr Auge möglicherweise schon. Vielleicht sehen Sie diese Form. In dem Fall könnte eine mögliche Lösung so aussehen: Sie setzen die Überschrift negativ. Dann entspricht sie einerseits ihrer Aussage und tritt außerdem im Bild zurück. Die starke Linie verläuft nun hier. Es ist vielleicht nicht offensichtlich, aber ich arbeite auf Basis eines Rasters, das so aussieht. Eine Zeitschrift würden Sie so gestalten. Wir haben ein Raster aus zweieinhalb Spalten. Wie Sie sehen, verwende ich nur diesen Teil davon. Die Seite kann auch auf diese Weise gestaltet werden. Hier ist das gleiche Raster. Zweieinhalb Spalten. Aber sie verlaufen jetzt nicht mehr horizontal, sondern vertikal. Das ist eine perfekte Möglichkeit, um Überschrift, Untertitel, Einleitung, Initiale und Einleitung zu setzen, passt aber nicht mehr zur Linie des Bilds. Sie sehen, dass hier die dominante Linie ist. Also ist es nicht meine erste Wahl. Was mir hier außerdem nicht gefällt, ist dieser sehr rechteckige Raum schafft, der nicht zu den weichen organischen Linien dieses Bilds passt. Ihr Auge muss diese Fläche durchqueren, um zum Text zu gelangen. Sie dort oben ein Rechteck. Zusammenfassend: Wenn Sie starke Linien in Ihrem Bild haben, sollten diese zu den starken Linien auf Ihrer Seite und den starken Linien Ihres Layouts passen. Wann immer möglich, sollten die Linien Ihres Bilds, Ihrer Seite und Ihres Layouts dieselbe Richtung haben. Das ist immer meine erste Wahl, und ich weiche nur davon ab, wenn es nötig ist. Und das ist Ihr Design für heute. Bis nächstes Mal.

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